„Es wird Ihnen mitgeteilt …“. Mit diesen dürren Worten beginnt ein Schreiben, mit dem „Der Oberreichskriegsanwalt“ am 20. Juli 1944 Mariechen Abke in viereinhalb Schreibmaschinenzeilen wissen lässt, was sie vermutlich seit fast einem Monat befürchtet hatte. Nämlich, dass ihr Mann zum Tode verurteilt wurde, „und dass dieses Urteil am 17.7.1944 vollstreckt worden ist.“
Mehr erfährt die Frau, die vom Regime zur Witwe gemacht wurde, nicht. Auch nicht, wo sich das Grab ihres Mannes befindet. Es folgt das elende Warten auf das Kriegsende, anschließend der tägliche Kampf ums Überleben danach. Als Mutter dreier kleiner Kinder muss sie diesen Kampf ohne ihren Mann führen.
Knapp zwei Jahre später erhält sie vom „Office of Military Government“, der zentralen Verwaltungsbehörde der alliierten Besatzungsmächte eine unscheinbare Postkarte mit der offiziellen Mitteilung, die „Sterbefallanzeige“ für ihren ermordeten Ehemann sei nun auch offiziell dem Herforder Standesamt mitgeteilt worden. Was belanglos klingt, ist durchaus wichtig. Immerhin kann sie sich nun eine offizielle Todesurkunde ausstellen lassen.
Und Mariechen Abke erhält eine Bestätigung ihrer Ungewissheit. Die Grablage ihres Mannes, so heißt es auf der Karte weiter, sei „unbekannt“. Hermann Abke ist verschwunden ins Nichts. Die damals fünfjährige Lydia Abke erinnert sich 2019: „Wir haben immer angenommen, dass sie einfach alle in ein Loch geschmissen wurden, da sie ja als Feinde der Regierung angesehen wurden.“
Jahrzehnte mit deutscher Teilung und Kaltem Krieg folgen. Als ich im Jahr 1990 erstmals versuchte, Hermann Abkes Schicksal zu recherchieren, wendete ich mich auch an die Stadtverwaltungen in Torgau und Halle. Ein Jahr nach dem Mauerfall war die direkte Nachfrage möglich. Die Antworten bestanden jedoch aus Achselzucken. An beiden Orten, so teilte man mir mit, gäbe es keine Hinweise auf Hermann Abke.
Als ich gegen Ende 2016 gebeten wurde, seine Geschichte noch einmal öffentlich vorzutragen, habe ich die Recherchen trotzdem noch einmal aufgenommen. Und siehe da, im Standesamt Halle/Saale war inzwischen eine Karteikarte aufgetaucht. Einen Tag nach der Ermordung mit dem Fallbeil hatte man darauf Abkes wahre Todesursache vertuscht. Dort hieß es: „plötzlicher Hertod – Atemstillstand“.
Allerdings waren in den Jahren nach der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ auch ganz andere Quellen nach und nach zugänglich geworden. Im Nationalen Militärarchiv in Prag waren Akten des ehemaligen Reichskriegsgerichtes aufgetaucht. Die Nazis hatten versucht, sie von Torgau aus in den Süden zu verlegen. Tschechische Partisanen hatten den Transport aufgehalten. So geriet das Material, darunter auch Abkes Todesurteil, nach Prag.
Eine wirkliche Überraschung ist es jedoch, dass inzwischen auch Hermann Abkes Grab ausfindig gemacht werden konnte. Ein Urnengrab. Es befindet sich auf dem Gertraudenfriedhof in Halle in einer Art Ehrenfeld für NS-Opfer.
Es war für beide Seiten nicht ganz ohne Emotionen, als ich diese Information an Hermann Abkes Kinder weitergegeben habe.
Eine wirklich sehr bewegende Geschichte, lieber Dieter Begemann, ganz großes Lob für diese Recherche und diese informative Website! Viele Grüße!
Herzlichen Dank für die freundlichen Worte, lieber Peter Bubig. Es freut mich natürlich sehr, wenn meine Internet-Seite und ihre Geschichten solche Anerkennung finden. Viele Grüße zurück!
Ich bin sehr froh, dass Herr Begemann mit Erfolg nach dem Grab und dem genauen Umstand des Todes von Hermann Abke geforscht hat. Für die Familie bzw. die Kinder ist es doch ein Trost endlich wenigstens das Grab ihres Vaters zu kennen . Auch wenn ich zur Nachkriegsgeneration gehöre, schäme ich mich für die unvorstellbaren Schreckenstaten des NS-Regimes. Besonders fühle ich mich hier mit Lydia Abke und ihrer Familie verbunden.
Ein trauriges Schicksal. Die Umstände erschüttern mich.
Vielen Dank für diese akribischen Recherchen.