„Nichts ist älter, als die Zeitung von gestern“, behauptet eine weit verbreitete Redensart. Dass auch eine ältere Zeitung wichtige Informationen enthalten kann, erlebte die Herford aufgewachsene Gudrun Eussner, die jetzt in Perpignan (Südfrankreich) lebt. Sie beschäftigte sich in den Jahren 2012/13 intensiv mit ihrer Familiengeschichte. Bei der Wehrmachtauskunftsstelle (WAST, heute Bundesarchiv) hatte sie sich nach Informationen über ihren Onkel Oskar Aschoff erkundigt. Darauf erhielt sie den amtlichen Bescheid, dieser sei am 2. Mai 1944 in Dortmund „ums Leben gekommen“. Dabei war es durchaus denkbar, dass die WAST nur lückenhafte Informationen erhalten hatte.
Was sich jedoch wirklich hinter dieser Formulierung verbarg, erfuhr Frau Eussner, als sie anschließend im Internet nach weiteren Informationen suchte. Sie stieß auf meinen Zeitungsartikel vom Volkstrauertag 2012, in dem ich das Schicksal ihres Onkels beschrieben hatte. In vielen Familien von NS-Opfern wird die Erinnerung als eine große Belastung beschrieben. Auch in Frau Eussners Familie war nie wirklich über Oskar Aschoffs Geschichte geredet worden. Selbst von ihrer Mutter hatte sie nie etwas Genaueres erfahren.
Als Oskar Aschoff starb, war er 18 Jahre – ein Alter in dem ein Mensch noch nicht viele Gelegenheiten hat, um Spuren zu hinterlassen. Von ihm blieb ein Grabstein auf dem Dortmunder Hauptfriedhof, von dem in Herford niemand wusste. In seiner Heimatstadt erinnert nichts an ihn.
In dem erwähnten Zeitungsartikel hatte ich um Hilfe gebeten, um ein Foto von ihm zu finden. Ein solches Bild schickte daraufhin Frau Eussner aus Perpignan. Es zeigt einen jungen Mann, der offen und freundlich in die Kamera blickt. Vermutlich trägt er auf dem Foto genau die Uniform, in der er kurze Zeit später ermordet wurde.
Über zwanzig Jahre, nachdem ich mit den Nachforschungen über Oskar Aschoff begonnen hatte, hatte sich ein Kreis geschlossen. Er war jahrzehntelang verschwiegen worden und verschwunden. Ein wenig fühlt es sich an, als habe Oskar Aschoff mit seinem Foto auch öffentlich ein kleines Stück seiner Würde zurückbekommen.
Sehr schön präsentiert, viel schöner als in der NWZ. Danke!
Alles Gute für Sie!
Gudrun Eussner, 29. Februar 2020