Vorgeschichte
1. November 2022: (noch daheim)
Polyneuropathie? — Vor knapp einem halben Jahr kannte ich noch nicht einmal das Wort. Mag sein, dass ich es schon einmal gehört hatte. Aber mit mir hätte ich es nie in Verbindung gebracht. Inzwischen ist es sicher, ich habe diese Krankheit. Was im Mai dieses Jahres als Verdacht auftauchte, ist zur Gewissheit geworden.
Es war wie immer, wenn man wissen will, was einem das Leben schwer macht. Ich war nach langer Ratlosigkeit und langem Suchen froh, als sich endlich eine Diagnose abzeichnete. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich zu verstehen begann, was die Diagnose bedeutete: Polyneuropathie ohne Ursache. Was Klarheit schaffen sollte, war jedoch der Ausgangspunkt für neue Ungewissheit. Die Krankheit gilt schulmedizinisch als nicht behandelbar. Und genau das ist das Problem.
Rückblende:
Wenn ich zurückdenke, war es schon längere Zeit so, dass mir das Gehen schwer fiel. Ich bin lieber mit dem Rad gefahren. Radfahren fiel mir leicht. Seit dem Beginn dieses Jahres begann sich grundlegend etwas zu verändern. Ich konnte es anfangs noch nicht in Worte fassen. Schmerzen, die auch vorher schon mal da waren, wurden stärker. Immer wieder hatte ich mit unglaublich harten einschießenden Schmerzen in beide Füße, Unter‑, manchmal auch Oberschenkel zu tun.Irgendwann halfen auch »normale« Schmerzmittel nicht mehr.
Eine Ärzteodyssee begann. Der Hausarzt empfahl die Fachärzte. Der Radiologe fand keinen Grund für Schmerzen, der Fußchirurg war ebenso ratlos. Etwas mehr Zeit und Empathie brachten die plastischen Chirurgen des Klinikums Bielefeld auf. Sie hatten mich vor einigen Jahren bei einer Wundheilungsstörung am Fuß behandelt. Im Mai dieses Jahres waren sie die ersten, die in ihrer Sprechstunde den Verdacht der Polyneuropathie äußerten.
Die Diagnose:
Umfangreiche Klinikuntersuchungen im August brachten Gewissheit. Meine gesundheitliche Situation war längst dramatisch verändert. Bis etwa Mai/Juni hatte ich noch halbwegs »normal« Gehen gekonnt. Eingeschränkt zwar, aber es ging. Fast ohne Einschränkungen konnte ich damals noch weitere Stecken Radfahren. Kurze Zeit später kam ich wegen Schwanken und Schmerzen nicht mal mehr auf das Fahrrad. Gehen war schon vorher nur noch mit Unterarmgehstützen möglich. Ständig war da der Eindruck, die Einschränkungen nahmen von Woche zu Woche zu.
Das Schlimmste in dieser Situation war die Diagnose »Polyneuropathie (PNP) ohne Ursache«. Bei PNP aufgrund von Diabetes, Alkoholmissbrauch, Tumorerkrankungen usw. gibt es etwas, das behandelt werden kann. Ist die Ursache jedoch unbekannt, kapituliert die Schulmedizin mehr oder weniger. Lediglich eine symptomatische Behandlung (vor allem Schmerzen, Ergotherapie) findet noch statt. Das eigentliche Krankheitsgeschehen bleibt unbehandelt. — Das ist nur schlecht zu akzeptieren, wenn man spürt, wie die Krankheit ständig fortschreitet.
Die Suche nach Alternativen …
Der Gedanke, dem eigenen Verfall hilflos zusehen zu müssen, ist für mich kaum zu ertragen. Die Suche nach Alternativen begann. So fand ich zur Klinik am Steigerwald, eine Privatklinik, in der mit den Mitteln traditioneller chinesischer Medizin gearbeitet wird. Eine Info-Veranstaltung in der Klinik, ein knapp einstündiges Gespräch mit einer dortigen Ärztin und auch die ausführliche Internetseite, unter anderem mit Patientenberichten finde ich überzeugend.
… und die Kostenfrage
Die Klinik am Steigerwald ist eine Privatklinik. Ich bin nicht privat, sondern gesetzlich krankenversichert. Meine Krankenkasse hat die Möglichkeit zur Übernahme solcher Kosten zwar in ihrer Satzung, lehnt sie in meinem Fall aber bisher ab. Die Auseinandersetzung darüber ist noch nicht entschieden. Sie ist sehr unerfreulich. Ich werde sie weiterführen, aber meine PNP wartet nicht, bis eine Entscheidung fällt. Das bedeutet, ich muss die Kosten erst einmal privat aufbringen. Bei einem Tagessatz von 398,- Euro und einem Aufenthalt von etwa 5 bis 6 Wochen käme da schnell ein fünfstelliger Betrag zusammen. Es könnte sein, dass dafür das Ersparte nicht ausreicht. Als das klar war, fing ich an, fast nur noch in Klinik-Tagessätzen zu rechnen.
Es hat mich sehr gerührt, dass in dieser Situation Freundinnen und Freunde auf die Idee kamen, die Einnahmen eines kleinen Nachbarschafts-Flohmarktes für meinen Klinkaufenthalt zu »spenden«. Einige wenige, die mir nahe sind, haben sogar mehr getan. Solche Dinge tun unendlich gut. Ich hatte lange mit dem Gedanken gespielt, einen Kredit aufzunehmen, um auch den letzten Rest des Klinikaufenthaltes zu finanzieren. Das muss ich nun wohl nicht mehr. Dafür bin ich sehr dankbar.
4. November 2022: (noch daheim)
Es war mir sehr wichtig, vor meinem Weg in die Klinik noch einmal mein Gangbild festzuhalten und es auch auf dieser Seite zu dokumentieren. Es gibt im Netz durchaus viele Seite zum Thema Polyneuropathie, auf denen meist allgemein über die Krankheit gesprochen wird. Ihr wirkliches Erscheinungsbild ist dort so gut wie nie zu sehen. Dabei ist mir absolut bewusst, dass es sehr verschiedene Verläufe geben kann.
Ich gehöre wohl zur Gruppe derer, die einen schweren Verlauf der PNP haben. – Ja. es hat mich erschreckt, als ich das Video meines Gangbildes vor der eigenen Haustür sah. Dass ich jede Eleganz der Bewegung verloren habe, war mir schon klar. Dass mein Schwindel und Schwanken so heftig aussehen, habe ich mir selbst nicht vorgestellt. Da war wohl noch eine Menge Wunschdenken dabei.
Das Video ist jetzt der Maßstab. Wird es möglich sein, in der Klinik und danach das Fortschreiten der PNP wenigstens erst einmal zu stoppen? Vielleicht sogar ein klein wenig Gangsicherheit zurückzubringen? Langsam, mit sehr viel Geduld? Stück für Stück? – Wir werden sehen …
5. November 2022 (noch daheim)
Morgen steige ich in den Zug in Richtung Steigerwald. Mein Gepäck ist bereits seit Donnerstag auf dem Weg in die Klinik. Heute soll es eigentlich dort ankommen. Noch hat der Gepäckservice die Ankunft nicht bestätigt. Aber es ist halt ein Service der DB …;-).
Jetzt beginnt die Zeit der Abschiede. Mit dem Gang in die Klinik wird sich manches ändern. Vor allem die Ernährung. Heute abend war ich mit meiner Liebsten noch einmal im Restaurant essen. Beim Griechen. Es gab gegrilltes Fleisch, dazu roten Wein aus Naoussa und den üblichen Ouzo. Ja, es war lecker – und ebenfalls ja, alles das steht in der TCM-Klinik auf dem Index. Und so geht es weiter mit dem Kaffee zum Frühstück morgen, mit dem Brötchen und dem Käse darauf. Alles das und einiges mehr wird es für längere Zeit nicht mehr geben. Es wird sich also einiges ändern im Steigerwald. Nein, ich freue mich nicht darauf, dass ich für längere Zeit in die Klinik gehe – und dabei ist der Verzicht auf bestimmte Speisen noch das geringste Problem. Aber ich bin sehr froh darüber, dass es endlich los geht.
weiter zur ersten Klinikwoche
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